Gewässervernetzung an der Mur
Der Flußlauf der Mur galt im Jahre 1894 noch als stark verwildert. Hochwässer führten zu breitflächigen Überflutungen im Bereich der ursprünglichen Auwaldbereiche. Im Gewässerabschnitt der Mur von Mureck bis Bad Radkersburg war die Flußbettaufzweigung besonders eindrucksvoll. Das gesamte Flußsystem mit Seitenarmen, Inseln und Altarmen war vor der Regulierung um die Jahrhundertwende hier bis zu 1,2 km breit. Große Seitengerinne, die bis heute noch als langgestreckte, unterschiedlich stark verlandete Rinnen am Auwaldrand erkennbar sind, prägten die typischen Strukturen des Murlaufes. Dazwischen befanden sich kleinere, schwächer durchflossenene, oft durch bestockte, stabile Inseln getrennte Murarme.
Dieses stark verzweigte Gewässernetz war durch die Dynamik der Strömung, durch die damit verbundenen An- und Auflandungserscheinungen mit einer Vielzahl von oft kurzlebigen aquatischen, semiterrestrischen und terrestrischen Habitaten geprägt und ständig in Veränderung begriffen.
Folgende Lebensräume, die heute an der unteren Mur als extrem gefährdete Mangelbiotope zu bezeichnen sind, sind hier stellvertretend angeführt:
- natürliche Flach- und Steiluferbereiche
- dynamische Schotterstrukturen
- typische semiaquatische Übergangszonen an den Uferbereichen
- unterschiedlich häufig durchströmte Seitenarme
- mit dem Hauptflußsystem vernetzte Seitenzubringer
- gewässerspezifische Mündungsbereiche
- Alt- und Seitenarme in unterschiedlichen Verlandungsstadien
- dynamische, unterschiedlich oft überflutete Aubereiche
Die aktuelle maximale Breite der Mur von etwa 80 Metern im Vergleich zur maximalen historischen Umlagerungsbreite der Mur in der Grenzstrecke von bis zu 1200 Metern ist ein deutliches Zeichen für die tiefgreifenden Veränderungen, die sich hier vollzogen haben. Gegenüber der historischen Situation sind die Wasserflächen in den Auwaldbereichen der Mur südlich von Graz um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Wichtige Lebensräume, Laichbiotope und Rückzugsräume wurden dadurch vom Fluß abgetrennt. Zusätzlich bewirkt die noch immer fortschreitende Eintiefung der Mursohle eine fortschreitende Reduktion des Vernetzungsgrades von Fluß und Augewässern.
Die meisten, heute noch bestehenden Altarme, Lahnen und Seitengerinne der Mur sind somit nach wie vor als in ihrem Bestand gefährdet anzusehen. Rasch verlaufende Verlandungsprozesse, beschleunigt durch den Nährstoffeintrag aus dem Umland, oder andere anthropogene Einflüsse sind neben den oben angeführten auslösenden Parametern als Ursachen zu nennen.
Eine selbständige Neuentstehung von Altarmen und Augewässern an der unteren Mur mit ihren durchwegs stark befestigten Böschungen ist unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich.
In diesem Gewässerabschnitt ist es somit im Sinne "wanderbarer" Fließgewässer erforderlich, die einst vorhandene laterale Vernetzung aktiv zu fördern.